In der Folge zunehmender Flucht und Vertreibung in weiten Teilen der Welt hat in den letzten Jahren ein Zustrom von hilfesuchenden Menschen in Richtung Europa eingesetzt. Diese Menschen kommen nach schwierigen und z.T. traumatischen Erfahrungen in Deutschland an. Die zunehmende Zahl an Asylbewerbern stellt neben der Gesellschaft auch das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Eine dem hohen Standard des deutschen Gesundheitssystems angemessene medizinische Versorgung von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Migranten durch niedergelassene Ärzte sowie Kliniken ist eine wichtige Aufgabe.
Für die Behandlung von Asylbewerbern / Flüchtlingen gelten einige (rechtliche) Besonderheiten, die von der regulären Versorgung innerhalb der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung abweichen. So haben Asylbewerber erst nach 15 Monaten den gleichen Anspruch auf medizinische Versorgung wie Sozialhilfeempfänger.
Wie ist ein Asylsuchender krankenversichert?
Ein Asylsuchender ist nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, daher hat er auch keine Versichertenkarte. Der Kostenträger für notwendige medizinische Maßnahmen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist das Sozialamt. Ausführliche Informationen zur Abrechnung bietet die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB).
Neben den registrierten Asylbewerbern gibt es auch Menschen ohne Papiere in Deutschland. Fragen zu Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis beantwortet der Flyer „Patientinnen und Patienten ohne legalen Aufenthaltsstatus in Krankenhaus und Praxis“ und Versorgung von nicht regulär krankenversicherten Patienten mit Migrationshintergrund – Eine Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer.
Welche Leistungen übernimmt der Kostenträger?
§ 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt
(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.
(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.
(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.
§ 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Sonstige Leistungen
(1) Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.
(2) Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.
Fragen und Antworten

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Was ist das Kurzscreening?
Arzt und Asyl
Asylsuchende werden nach Ankunft in einer Erstaufnahmeeinrichtung möglichst schnell auf das Vorliegen akut behandlungsbedürftiger Erkrankungen oder Verletzungen durch Inaugenscheinnahme untersucht und erforderlichenfalls umgehend einer medizinischen Behandlung zugeführt.
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Wie werden unbegleitete Minderjährige behandelt?
Arzt und Asyl
Auch unbegleitete Minderjährige werden in Form des medizinischen Kurzscreenings und der Erstuntersuchung nach § 62 Asylverfahrensgesetz untersucht. Sie werden durch das örtlich zuständige Jugendamt in Obhut genommen.
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Wer führt die Erstuntersuchung bei Asylbewerbern durch?
Arzt und Asyl
Die Erstuntersuchung wird durch das Gesundheitsamt durchgeführt.
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Was ist die Erstuntersuchung?
Arzt und Asyl
Die bundesrechtlich vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchung nach
§ 62 Asylverfahrensgesetz, die aufgrund einer bayerischen Vorgabe innerhalb von drei Tagen nach Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt, umfasst folgende Untersuchungen:- eine körperliche Untersuchung auf Anzeichen einer übertragbaren Krankheit,
- eine Untersuchung zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane,
- Blutuntersuchung auf HIV- und Hepatitis B-Infektionen,
- anlassbezogene Stuhluntersuchungen auf TPE-Ruhr-Gruppe und
- Darmparasiten bei Personen mit klinischer Auffälligkeit.
Sollte bei einem Asylbewerber eine übertragbare Erkrankung festgestellt werden, wird er darüber informiert und bei Bedarf einer Behandlung veranlasst. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) veranlasst alle notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen.
Mehr Informationen finden Sie im Bayerischen Ärzteblatt.
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Wie kann ich als Arzt helfen?
Arzt und Asyl
Ärzte, die im Hauptamt oder als Honorarkräfte unterstützen möchten, werden gebeten, sich bei den jeweiligen Bezirksregierungen zu melden. Die Adressen sind im Internetangebot des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege aufgeführt:
Einzelne Ärztliche Kreisverbände (ÄKV) haben diesbezüglich eine Kooperation mit den Gesundheitsämtern vereinbart. Bitte nehmen Sie hierzu gegebenenfalls Kontakt mit dem zuständigen ÄKV auf.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychsozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer
Es braucht mehr Psychotherapeut/innen, die Therapien mit Geflüchteten durchführen wollen und diese auch abrechnen können. Auch für Psychotherapeut/innen ohne Kassenzulassung ist dies möglich: mit der „Regelung zur Ermächtigung zur Behandlung von Geflüchteten“.Helfen Sie Geflüchteten und bieten Sie Psychotherapie mithilfe der Ermächtigung an! Mehr Informationen finden Sie hier.
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Wie erfolgt die Abrechnung im akuten Notfall ohne Behandlungsschein?
Arzt und Asyl
Über die Abrechnung im akuten Notfall informiert die KVB. → Abrechnungsbesonderheiten
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Wer haftet bei Behandlungsfehlern in Einrichtungen für Asylbewerber?
Arzt und Asyl
Grundsätzlich empfiehlt die Bayerische Landesärztekammer Ärztinnen und Ärzten, ihre jeweilige Berufshaftpflichtversicherung zu kontaktieren, insbesondere dann, wenn der Arzt in einer Erstaufnahmeeinrichtung die kurative Versorgung der Asylbewerber übernimmt. Eine Haftpflichtversicherung hat hierzu bereits eine Erklärung abgegeben. Nähere Informationen dazu finden Sie hier.
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Welche Medikamente dürfen verordnet werden?
Arzt und Asyl
Informationen zur Verordnung gibt es bei der KVB. → Verordnungen für Flüchtlinge und Asylbewerber
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Was ist bei Vorliegen einer Schwangerschaft zu beachten?
Arzt und Asyl
Siehe hierzu § 4 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz: Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.
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Wo finde ich Anamnesebögen in anderen Sprachen?
Arzt und Asyl
- Anamnesebögen in 24 Sprachen von tipdoc
- Anamnesebögen in 14 Sprachen von „Armut und Gesundheit e.V.
- Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz: Informationen für Ärzte und Asylbewerber zur medizinischen Untersuchung
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Wo finde ich Patienteninformationen in anderen Sprachen?
Arzt und Asyl
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Patienteninformationen zu häufigen Erkrankungen in sechs Sprachen
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Beim Arzt in Deutschland – Broschüre in fünf Sprachen (Schwerpunktmäßig für Patienten aus dem arabischen und persischen Raum)
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Welche akuten Erkrankungen sind häufig?
Arzt und Asyl
- Hinweise des Robert-Koch-Institutes zu akut Behandlungsbedürftigen (für Deutschland ungewöhnliche Infektionskrankheiten, die bei Asylsuchenden auftreten können)
- Bericht von Dr. Annegret Jansen über die kurative Versorgung von Asylbewerbern in der Erstaufnahmeeinrichtung Deggendorf (Oktober 2015)
- Bericht im Bayerischen Ärzteblatt über die medizinische Versorgung von Flüchtlingen
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Wo finde ich einen Dolmetscher und wer trägt die Kosten?
Arzt und Asyl
In München stellt das Amt für Wohnen und Migration, falls erforderlich, für Arztbesuche Dolmetscherinnen / Dolmetscher zur Verfügung. Die behandelnde Ärztin / der behandelnde Arzt muss dafür vorab bestätigen, dass die Hinzuziehung einer Dolmetscherin / eines Dolmetschers erforderlich ist und angeben, um welche Sprache es sich handelt und wann der Termin wo stattfindet. Die Anforderung des Dolmetschers / der Dolmetscherin erfolgt über die zuständige Sachbearbeitung für Leistungen nach dem AsylbLG.
In ländlichen Regionen ist es teilweise schwierig, überhaupt einen Dolmetscher zu finden. Bei Bedarf kann auch moderne Kommunikationstechnik (z.B. Skype) eingesetzt werden.
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Gibt es für ausländische Ärzte eine Ermächtigung zur vorübergehenden Ausübung der Heilkunde?
Arzt und Asyl
Der Einsatz sogenannter „Ermächtigter zur vorübergehenden Ausübung der Heilkunde“ wird nach § 90 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz bei der medizinischen Versorgung von Asylbewerbern möglich. Die Regelung, die am 1.11.2015 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass Asylbegehrende, die eine eidesstattliche Versicherung über eine abgeschlossene Ausbildung als Arzt abgeben, jedoch keine entsprechenden Unterlagen vorlegen können, und ihre ärztliche Ausbildung und ihre ärztlichen Fachkenntnisse in einem Fachgespräch mit einem von der zuständigen Behörde beauftragten Arzt belegen können, auf Antrag vorübergehend zur Ausübung von Heilkunde in Einrichtungen ermächtigt werden, um Ärzte bei der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden zu unterstützen. Dies gilt jedoch unter einer ganz bestimmten Voraussetzung: Es stehen für die ärztliche Versorgung von Asylbegehrenden in Aufnahmeeinrichtungen nicht genügend Ärzte zur Verfügung, wodurch die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Asylbewerbern gefährdet ist.
Darüber hinaus gelten folgende Beschränkungen:
- die Tätigkeit erfolgt unter der Verantwortung eines Arztes;
- die Berufsbezeichnung „Ärztin“ oder „Arzt“ darf nicht geführt werden;
- die Behandlungserlaubnis erstreckt sich nur auf Asylbegehrende in Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 oder Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 Asylverfahrensgesetz;
- eine sprachliche Verständigung der ermächtigten Personen mit den zu behandelnden Asylbegehrenden muss sichergestellt sein.
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Wo gibt es weitere Infos?
Arzt und Asyl
- Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration
- Langenscheid Online-Wörterbuch Deutsch-Arabisch/Arabisch-Deutsch mit Aussprache-Lautsprache-Funktion (kostenlos)
- Bayerisches Rotes Kreuz
- RKI: Asylsuchende und Gesundheit (Informationen vom RKI)
- Sozialreferat der Stadt München mit Handreichung für Ehrenamtliche zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in München (erstellt vom Referat für Gesundheit und Umwelt)